Alles Leben ist Bewegung, alles was klingt, schwingt auch,
deshalb kann man mit absoluter Berechtigung sagen,
dass das gesamte Leben ein beständiger Tanz ist.
Tanz ist der Ausdruck der Musik des Lebens,
die natürliche Konsequenz des Klangs.
Die Wellen und die Blätter tanzen im Wind,
so wie wir durch Gott und Seinen Klang getanzt werden.
Kabir
Tausend Künste kennt der Teufel,
aber singen kann er nicht;
denn Gesang ist ein Bewegen
unsrer Seele nach dem Licht.
Max Bewer
Das erste Lied
Das erste Lied, das ich gesungen, –
um die Kritik war mir nicht gram, –
von meinen Lippen ist's geklungen
so frisch, wie's mir vom Herzen kam.
Ich reimte ›sehnen‹ mit ›erkennen‹
und ›dich‹ mit ›nicht‹ und ›Tag‹ mit ›Nacht‹,
doch kann kein Fürst sich reicher nennen,
als mich mein erstes Lied gemacht.
Das Kunstgefühl für Maß und Einheit
Hat mich kein Menschenmund gelehrt,
mit Silbenzahl und Formenreinheit
hatt' ich mir nie das Herz beschwert…
Ich ahnte nur, daß tief im Grunde
der Zukunft weltverloren schlief
ein Etwas, das mir jede Stunde
ein "Singe!" in die Seele rief!
Clara Müller-Jahnke (1860 - 1905),
Quelle: Müller-Jahnke, Gedichte, Gesamtausgabe,
hg. v. Oskar Jahnke, Buchhandlung Vorwärts, Berlin 1910
Musik, ich muss Dir heute sagen,
Du bist etwas, das mir gefällt,
das, was in dunklen Tagen
mein Seelenleben stets erhellt.
Musik, Du gibst mir wirklich viel,
ziehst mich gekonnt in Deinen Bann,
bei mir erwacht ein Wohlgefühl,
wenn ich Dich still genießen kann.
Musik, oft hast Du mich befreit,
wenn Kummer mich so sehr geplagt,
mit Dir hab ich in dieser Zeit
den Weg hinaus ins Licht gewagt.
Musik, Du hilfst mir immer wieder,
ob ich betrübt bin oder froh,
gedanklich knie ich vor Dir nieder,
mein Herz brennt für Dich lichterloh.
Musik, ich werd Dir ewig treu sein,
bis hin zu meinem letzten Tag,
Dein Klang soll mich begleiten
leise, – auf dem Weg zum Grab.
© Horst Rehmann (*1943),
deutscher Publizist, Maler, Schriftsteller und Kinderbuchautor
Wo man singet, laß dich ruhig nieder,
Ohne Furcht, was man im Lande glaubt;
Wo man singet wird kein Mensch beraubt:
Bösewichter haben keine Lieder.
Wenn die Seele tief in Gram und Kummer,
Ohne Freunde, stumm, verlassen, liegt,
Weckt ein Ton, der sich elastisch wiegt,
Magisch sie aus ihrem Todesschlummer.
Wer sich nicht auf Melodienwogen
Von dem Trosse des Planeten hebt
Und hinüber zu den Geistern lebt,
Ist um seine Seligkeit betrogen
Johann Gottfried Seume (1763 - 1810), deutscher Schriftsteller
Quelle: Seume, J. G., Gedichte. Aus: Die Gesänge, Erstdruck 1801
Was kann doch auf Erden geliebet mehr werden als süßer Gesang!
Was treibet vom Herzen behender die Schmerzen als lieblicher Klang?
Die Musik allein die Tränen abwischet, die Herzen erfrischet,
wenn sonst nichts hilflich will sein.
Die Musik vertreibet, vertilget, verschreibet nach Thule das Leid,
macht Hinkende springen, Verzagende singen vor herzlicher Freud.
Sie treibet die Feind, den Frieden zu schließen, sodass sie oft müssen,
gezwungen, werden gut Freund.
Die Musik den Kranken macht ringe Gedanken, vertreibet das Gift.
Oft haben die Saiten in schweren Krankheiten viel Gutes gestift.
Der liebliche Ton die Immlein betöret, dass, wenn sie empöret,
nicht können fliegen davon.
(Textauszug)
Laurentius von Schnifis (1633 - 1702),
österreichischer Dichter und Komponist
Gute Lieder wollen gut widerhallen:
Nach guten Liedern soll man lange schweigen.
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Ode an die Musik
Fühlst du dich einmal total gehetzt,
oder du bist zutiefst in der Seele verletzt,
wenn nichts recht klappt und nichts mehr frommt,
und das nackte Elend so über dich kommt –
dann laß Musik deine Seele streicheln
und den Hauch der Töne deinen Sinnen schmeicheln.
Schließ' deine Augen und sieh' durch den Dunst
und genieße die himmlische, musische Kunst.
Versenke dich tief in den Sphären-Traum
und dein Kummer schwindet – du merkst es kaum.
So heilen die Wunden und all deine Narben,
und du siehst die Welt gleich in helleren Farben.
du vergißt deine Sorgen und all deinen Schmerz –
mit der Musik zieht Frieden in dein Herz.
Versenke dich in das Meer der Töne
und denke dabei an das Gute und Schöne.
Mit Musik kannst du niemals einsam sein.
Wo Musik ist – da kann nichts Böses sein!
© Willy Meurer (1934 - 2018),
deutsch-kanadischer Kaufmann, Aphoristiker und Publizist
Ein kleines Lied
Ein kleines Lied! Wie geht's nur an,
Daß man so lieb es haben kann,
Was liegt darin? erzähle!
Es liegt darin ein wenig Klang,
Ein wenig Wohllaut und Gesang
Und eine ganze Seele.
Marie von Ebner-Eschenbach (1830 - 1916),
österreichische Erzählerin, Novellistin und Aphoristikerin
O denket nicht vom Lied gering
O denket nicht vom Lied gering,
Denn segnen will's und raten;
Sein Silbenfall, sein Bilderschwung
Sind unterdrückte Thaten.
Von Göttern war der Himmel voll,
Doch öde war ihr Busen;
Stumm war noch die Unsterblichkeit,
Da schuf sich Zeus die Musen.
Das Lied, es ist des Herzens Brot,
Wir können es nicht missen,
Am Sarg und an der Wiege nicht,
Es ist der Welt Gewissen!
Karl Isidor Beck (1817 - 1879),
österreichischer Dichter, Journalist und Schriftsteller
Wer einsam steht im bunten Lebenskreise
Und was das Leben teuer macht verlor,
Wie bebt sein Herz, trifft eine liebe Weise
Aus ferner Jugendzeit sein horchend Ohr!
Musik, du Mächtige! vor dir verschwindet
Der armen Sprache ausdrucksvolles Wort;
Warum auch sagen, was das Herz empfindet,
Tönt doch in dir die ganze Seele fort.
Der Freundschaft Worte haben oft gelogen,
Es täuscht die Liebe durch Beredsamkeit;
Musik allein hat nie ein Herz betrogen
Und viele Herzen hoch erfreut.
Helene zu Mecklenburg(-Schwerin) (1814 - 1858)
Nun such ich immer den einen Klang
und find ihn doch nimmer mein Lebenlang.
Ich lausche, ob nicht ein Tönen erwacht,
das meine Lieder unsterblich macht –
ob heimlich nicht schon die Schwingen regt
ein Lied, das alle Herzen bewegt,
das fromm und rein in der Seele erblüht
und dennoch Funken und Flammen sprüht –
ein Lied, das den Schmerz zur Ruhe singt
und doch wie ein Schrei der Sehnsucht klingt!
Nun such ich und such ich mein Lebenlang
immer und ewig den einen Klang …
Leon Vandersee († 1907),
eigentlich Helene von Tiedemann, deutsche Lyrikerin
Wir sind Diener des Klangs und dadurch sind wir Diener des Atems
und deshalb sind wir Diener und Werkzeuge des einen Seins.
Denn Klang ist Atem und Atem ist Klang
und sowohl Atem als auch Klang
sind der lebendige Ausdruck des einen Seins.
Kabir
Ich singe, wie der Vogel singt,
der in den Zweigen wohnet.
Das Lied, das aus der Kehle dringt,
ist Lohn, der reichlich lohnet.
Johann Wolfgang von Goethe